Einsiedlers Heiliger Abend

Joachim Ringelnatz

Ich hab' in den Weihnachtstagen 
Ich weiß auch warum - 
Mir selbst einen Christbaum geschlagen, 
Der ist ganz verkrüppelt und krumm.

Ich bohrte ein Loch in die Diele 
Und steckte ihn da hinein 
Und stellte rings um ihn viele 
Flaschen Burgunderwein.

 

Und zierte, um Baumschmuck und Lichter 
zu sparen, ihn abends noch spät 
mit Löffeln, Gabeln und Trichter 
und anderem blanken Gerät.

 

Ich kochte zur heiligen Stunde 
Mir Erbsensuppe mit Speck
Und gab meinem fröhlichen Hunde 
Gulasch und litt seinen Dreck.

Und sang aus burgundernder Kehle 
Das Pfannenflickerlied. 
Und pries mit bewundernder Seele 
Alles das, was ich mied.

 

Es glimmte petroleumbetrunken 
Später der Lampendocht. 
Ich saß in Gedanken versunken.
Da hat's an die Türe gepocht,

Und pochte wieder und wieder.
Es konnte das Christkind sein. 
Und klang's nicht wie Weihnachtslieder! 
Ich aber rief nicht: "Herein!"

Ich zog mich aus und ging leise 
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott, 
Und dankte auf krumme Weise 
Lallend dem lieben Gott.